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Lauter schöne Sätze - Aus Liebe zu guten Büchern

Freelander - Miljenko Jergović

Freelander - Miljenko Jergović

Der pensionierte Geschichtslehrer Karlo Adum nimmt seinen ganzen Mut zusammen (und eine Pistole), um mit seinem Volvo die Reise von Zagreb nach Sarajevo anzutreten, wo er zu einer Testamentseröffnung geladen wurde.

Der alte Volvo hat ein viertel Jahrhundert auf dem Buckel, den Jugoslawienkrieg und die Zersplitterung des Landes überlebt. Professor Adum hat darüber hinaus als Kind den zweiten Weltkrieg miterlebt.

Auf dieser Reise werden viele Dimensionen erkundet. Zunächst steht da das moderne Kroatien dem zerstörten Bosnien-Herzegovina der 2000-er Jahre gegenüber. Es kostet den Professor einige Überwindung, um die Grenze in Slavonski-Brod zu überqueren. Minenwarnschilder neben der Straße machen ihm das Pinkeln nicht leicht. Kulturelle und religiöse Dimensionen müssen überwunden werden. Serben, Kroaten, Moslems, alle haben für den Professor ihre Eigenheiten, die beachtet werden müssen. Es ist auch eine Reise in die eigene Geschichte, in die Kindheit im von Deutschen besetzten Sarajevo. Und dann gibt es Glück und Pech, die sich schließlich als das Gegenteil des ersten Anscheins herausstellen.

Miljenko Jergović ist ein guter Menschenbeobachter und er schildert mit Genauigkeit und gutem Humor die vielen Ereignisse, die für unseren verschrobenen Professor Adum die Reise nach Sarajevo zu einem wahren Abenteuer werden lassen. Ich habe mich sehr gefreut, dass ich mitreisen konnte, auch wenn das Ende etwas plötzlich kam. Das Buch kann ich uneingeschränkt jedem empfehlen, der in die Seelen der Menschen des Balkans eintauchen möchte.

Wer sein Ohr an die Scheibe gelegt hätte, hätte ein Geräusch gehört, das keinen Namen hat.

Und das kein Schnarchen war. Aber auch nicht nur ein Atmen.

Diesen Laut hören in schlaflosen Nächten nur die, mit denen sie ihr Leben teilen, von denen sie geliebt werden und die das Pech haben, nicht früh genug einschlafen zu können. (S.107)

Von der deutschen Übersetzung hätte ich mir gewünscht, dass die Leser das Gewerbe der Mama Cica nicht erst im Laufe der Geschichte erfahren, im (serbo-)kroatischen impliziert Cica bereits das Gewerbe. Ich weiß nicht, ob in der Übersetzung andere Feinheiten verloren gegangen sind.


 

 


 

 

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